Ich bin ehrlich meine letzten koreanischen Filmerlebnisse, aus dem letzten Jahr und darüber hinaus, haben mich schier zum Verzweifeln gebracht – selten hatte ich so eine lange Durststrecke, welche gespickt war von mäßigen bis schlechten koreanischen Filmen in so einem langen Zeitraum, so dass ich es mir jedes Mal dreimal überlegt hatte, wenn ich einen koreanischen Film anschauen wollte.
„War of the Arrows“ sah und hörte sich sehr interessant für mich an und schien genau die Art von Film zu sein, die ich liebe – darüber hinaus war er sogar mit über 7 Millionen Zuschauern der erfolgreichste Film im Jahre 2011. Dennoch ging ich sehr skeptisch an den Film heran, kein Wunder ich hatte seit über einem Jahr aller Hand guter Filme gesehen, aber darunter war kaum ein koreanischer Film gewesen, so dass ich mich lieber eher dem europäischem, chinesischem und amerikanischem Kino zugewendet habe. Wie gesagt ich war kaum imstande daran zu glauben, dass die Koreaner noch zu guten Filmen fähig sind – nun, ich wurde eines Besseren belehrt.
Regisseur Kim Han-Min knüpft an alte Qualitäten an, mit denen einst das koreanische Kino für Aufsehen gesorgt hatte, denn sein Film erinnert in vielen positiven Aspekten von seiner Machart her an
Musa, aus dem Jahre 2001, welcher bis heute durch seine authentische Aufmachung zeitlos geblieben ist und in der gesamten asiatischen Filmindustrie eine Lawine von Historienfilmen losgebrochen hatte, die auf einer Augenhöhe mit westlichen Produktionen standen. In China folgte ein gewaltiger Output an solcherart Filmen, der dort bis heute anhält, aber in Korea selbst, wo alles mehr oder weniger begonnen hatte, gab es nach „Musa“ kaum mehr Vergleichbares – bis 10 Jahre später eben „War of the Arrows“ erschien, der evtl. sogar „Musa“ überflügelte.
„War of the Arrows“ ist kein Epos, eher ein Abenteuerfilm mit großem historischem Hintergrund. Der Film setzt auf eine sehr authentische Darstellung statt großangelegten Szenen und Massenschlachten, weshalb sich der Film angenehmerweise kaum genötigt fühlt, CGI-Effekte zu benutzen – und so wirkt „War of the Arrows“ sehr echt. Insbesondere die Darstellung der Mandschuren ist für alle Historienbegeisterten auf diesem Gebiet eine wahre Freude, denn selten habe ich so eine realitätsnahe Darstellung gesehen wie hier. Man hat darauf geachtet, dass die Mandschuren hier wirklich noch sehr ursprünglich aussahen, denn schließlich wird hier die Zeit dargestellt wie sie gerade im Inbegriff sind die absolute Macht in Asien zu übernehmen, sprich, kurz bevor der erste Qing-Kaiser im Jahre 1643 den Thron bestieg und die mandschurische Qing-Dynastie bis 1911 über China und weit darüber hinaus herrschen sollte. Es sind die Details, die beeindrucken -, die Rüstungen, Waffen, Frisuren, die originalgetreue mandschurische Sprache, die verwendet wird, und und und...
Man sieht dem Film also jeder Minute an, dass man keinen Aufwand gescheut hat ein getreues Bild der dargestellten Zeit wiederzugeben und man nicht halbherzig auf vorhandenes Kostümmaterial zurückgegriffen hat, welches oftmals pauschal für jede historische Zeit die über 300 Jahre zurückliegt benutzt wird. Die Kämpfe im Film, welche reichlich vorhanden sind, und vor allem die Bogenschießduelle sind sehr gut inszeniert worden. Die Kampf- und Bogenschieß-Cinematographie wirkt, wie alles andere sehr echt und des Weiteren übersichtlich, hart und verwendet nur dann Wackelkamera wo es auch Sinn macht. Ansonsten kleidet sich der Film eher in nüchternen, kargen, bis kalten Bildern, so wirken dann viele Momente allein durch ihre natürlichen schönen Aufnahmen – das schafft auch eine angenehme, aber niemals aufdringliche Atmosphäre.
Die Geschichte des Filmes selber ist recht simpel, wenn nicht gar ziemlich schnörkelos, aber genau darin liegt auch die Stärke von „War of the Arrows“, denn Regisseur Kim Han-Min hält sich nicht allzu lange mit großartigem Kitsch, Sentimentalitäten und großem Rumgelaber auf, ganz im Gegenteil, er hält uns als Zuschauer ganz schön auf Trab, der Film sprüht nur so vor Energie und Spannung, die aus einer halsbrecherischen Hetzjagd resultiert. Man setzt auf ein hohes Tempo, so dass Langeweile oder Leerläufe in diesen Film fast ausgeschlossen sind. Zwischen all der Action streut Regisseur Kim Han-Min dezent ein wenig Tiefe, kulturelle Aspekte, Dramaturgie usw. ein – aber niemals so viel, dass es der ungeheuren Dynamik des Filmes schaden könnte. Von all diesen Komponenten konnten die meisten koreanischen Filme die ich in der letzten Zeit gesehen habe kaum welche richtig umsetzen, - „War of the Arrows“ brilliert in allen Aspekten, die er uns bietet.
Wenn ein Film wie „War of the Arrows“ auf Authentizität, Dynamik und daneben auf viele andere weitere kleine Komponenten setzt, dann müssen auch die Schauspieler im Film das bewerkstelligen können und das tun sie. Sprich, sie stehen den Qualitäten des Filmes nicht im Wege, im Gegenteil, sie unterstreichen diese soweit wie möglich. Es gibt jetzt zwar keine überragenden schauspielerischen Glanzleistungen im Film, aber alle Schauspieler nehmen ihre Rollen im Film ernst genug und setzten diese dann auch recht gut um. Mir persönlich hat am besten der mandschurische General Jyu Sinta gefallen, der der Gegenspieler unserer Hauptfigur ist und von Ryu Seung-Ryong dargestellt wird, weil sein Spiel am intensivsten und eindrücklichsten wirkte, was aber auch an der Figur an sich liegen mag.
Überhaupt stellt sich auf jeden Fall die Frage, wie hier die mandschurischen Invasoren dargestellt werden. Dass die Mandschuren nicht gerade zimperlich waren, während ihrer großen Machtergreifung in Asien, steht außer Frage, aber dennoch spricht man ihnen hier nicht jegliche Menschlichkeit ab. Man dämonisiert den koreanischen Invasor nicht – wie es evtl. in einen koreanischen Film zu erwarten ist. Stattdessen gibt es genügend Szenen im Film in denen das ganze Geschehen aus mandschurischer Sicht dargestellt wird. Natürlich ist auch zu berücksichtigen, dass im Gegensatz zu den Koreanern bei den Mandschuren keine Zivilisten dargestellt werden, sondern eben Invasoren in Form von Kriegern bis hin zu Elite-Kriegern, die über die völlig überraschte Joseon-Dynastie herfallen. Das dargestellte Leid der koreanischen Zivilbevölkerung berührt einen zweifellos im Film wesentlich mehr als die Ängste der mandschurischen Soldaten, aber Regisseur Kim Han-Min ist es stets anzuerkennen, dass er diese Soldaten dennoch stets als Menschen und nicht als Unmenschen darstellt, obwohl es für ihn politisch gesehen ein leichtes gewesen wäre, denn die Mandschuren gibt es schließlich in dieser Form nicht mehr und er hätte somit nicht mal direkt ein existierendes Volk angegriffen. Dadurch, dass der Film aber die Aggressoren nicht anonymisiert, macht er zum Einen den Film interessanter und zum anderen eben etwas realitätsnäher.
Ist nun mit „War of the Arrows“ mein Glaube an gute koreanische Filme wieder hergestellt? Gewiss nicht, denn „War of the Arrows“ ist eine absolute Ausnahmeerscheinung, denn der Film macht all das richtig was viele koreanische Filme oft falsch machen. Abgesehen davon steht dieser Film für sich alleine wie es damals „Musa“ getan hat und ich bin mir ziemlich sicher, dass so schnell nichts an die Qualität von „War of the Arrows“ anknüpfen kann. Teilweise erinnert der Film ein wenig an einen, alten, klassischen, harten und kernigen Western-Film von seinem Aufbau her – simpel, einfach und gut. Ich werde mir diesen Film sicherlich nochmal anschauen und lege „War of the Arrows“ uneingeschränkt jedem ans Herzen, weil ich denke kaum einer wird es bereuen diesen Film gesehen zu haben – nein, diesen Film sollte man sogar gesehen haben. Für all diejenigen, die sich für Bogenschießen interessieren, führt so oder so kein Weg um diesen Film herum, weil es hier momentan filmisch nichts Besseres gibt und hinzukommt das nirgendwo auf der Welt die Kunst des Bogenschießen so kultiviert wurde wie in Nordasien.