Yoichi Sai ist ein japanischer Regisseur mit koreanischen Wurzeln, der einigen durch den Film „Blood and Bone“, mit den japanischen Superstar Takeshi Kitano, bekannt sein dürfte. Nun dreht er das erste Mal in Korea einen Film und zwar ein Rachedrama, oder vielleicht besser gesagt als Rachethriller. Viele mögen nun aufstöhnen, denn gerade in den Zeitraum wo „Soo“ erschienen ist, gab es einige Genrevertreter in diesen Bereich, aber eins will ich gleich vorweg sagen, keiner dieser Filme ist so wie Soo.
Ob Yoichi Sai noch mal einen koreanischen Film dreht ist fraglich, weil kommerziell war Soo ein Flop, auch im Ausland und besonders im deutschsprachigen Raum fand der Film kaum Fans. Bei den meisten Zuschauern und Kritikern wurde dieser Film förmlich in der Luft zerfetzt und als grottenschlecht abgetan. Auch die Zuschauerzahlen in Korea sprechen für sich, denn 218.314 Besucher sind alles andere ein Zeichen breiter Begeisterung.
Ich kann mich jedoch der breiten Masse diesmal nicht anschließen, denn mir hat dieser Film ausnehmend gut gefallen. Ich war selber überrascht wie sehr mich dieser Film von Anfang bis zum bitteren Ende gepackt hat. Am Anfang dachte ich bei all den schlechten Kritiken und den wenigen Besuchern, dass ich an einer leichten Geschmacksverirrung leide. Mir ist aber ziemlich schnell klar geworden, warum der Film bei der breiten Masse keinen Anklang fand.
Lassen Sie mich erläutern woran das liegt und warum mir der Film gefallen hat, so dass jeder einigermaßen abwägen kann ob der Film interessant für einen ist oder nicht.
Soo bewegt sich weit jenseits von Mainstream und dürfte für all die Leute kaum zu verdauen sein die nur Hollywood Standartkost gewohnt sind. Denn in Gegensatz zu den meisten großen Kinofilmen verzichtet Soo gänzlich auf Klischees und ist unglaublich konsequent. Meiner Meinung nach muss ein guter Rachefilm auch von Anfang bis zum Ende absolut konsequent sein, genau das ist Soo und das rechne ich den Film hoch an. Wer hier schwarzen Humor oder Zynismus sucht wie bei
Old Boy oder
A Bittersweet Life, wird vergebens suchen, denn „Soo“ ist todernst und erinnert eher an einen Bloodshed-Thriller aus Hongkong. „Soo“ ist düster, hart, schonungslos, derb, manchmal dreckig, trist und traurig.
Die Geschichte ist in ihrer Erzählweise absolut minimalistisch. Teilweise wohnt dem Film eine unheimliche Ruhe inne. Der Film mag vielleicht auf eine spektakuläre Inszenierung verzichten und er hat vielleicht kein rasantes Tempo, aber nichtsdestotrotz wohnt dem Film bis zum Finale eine unerträgliche Spannung inne.
Oft bemerkte ich, wie sich meine Finger in meinen Sessel krallten, denn den Film begleitet eine stets unheilvolle und düstere Atmosphäre. Zum größten Teil geht diese düstere Atmosphäre von dem Hauptcharakter des Films aus, denn er wirkt durch sein Wesen auf einen normalen Menschen sehr beunruhigend und das sollte auch so sein, denn er ist ein eiskalter Killer. Während die meisten anderen Regisseure in ihren Killer-Filmen eine Sympathie für ihren Mörder erzeugen, macht „Soo“ hier keine besonderen Anstalten. Genau das ist, denke ich einer der Hauptprobleme für viele Zuschauer in den Film gewesen, denn man wird in den Film überhaupt kaum Sympathieträger finden und schon gar nicht in der Hauptfigur.
Die Hauptfigur ist sehr düster und emotionslos und alles andere als jemand den man mag – er ist eben wirklich ein waschechter Killer, den man nicht unbedingt Sympathie entgegen bringen kann; der Film versucht es auch gar nicht, wie andere Filme diese zu erzeugen –und das macht ihn wieder sehr realistisch in seiner Charakterdarstellung.
Seine brutalen Taten sind somit glaubwürdig und sein effizientes Töten plausibel. Wer bei so einem Menschen viel Gefühl erwartet hofft vergebens. Unser Hauptprotagonist ist ein emotionaler Krüppel, der seine wenigen Gefühle sehr tief vergraben hat. Genau diese verbitterte und trostlose Figur hat mir in ihrer Darstellung gefallen und so düster und kompromisslos wie die Figur ist, ist der ganze Film. Einen Killer mag man nicht – man hat vor ihm Angst und man wünscht ihn nichts Gutes. Kaum ein Film hat das jemals so rüber gebracht wie „Soo“ und wenn, dann war die Hauptfigur absolut böse – aber selbst das trifft hier auf die Hauptfigur kaum zu, denn er tötet nicht aus Spaß am morden und auch nicht für die gerechte Sache, sondern weil er in einer Welt voller Gewalt lebt und er keinen anderen Weg als die Gewalt kennt.
Somit haben wir einen Film, der uns meiner Meinung nach einen realistischen Einblick in einer Welt gewährt wo für Menschen Gewalt der Alltag ist. Somit ist der Film auch als ein ungeschminkter Gangsterfilm anzusehen. Die Gangster besonders der Gangsterboss sind Personen mit tiefen Abgründen in ihrer Seele, ohne jegliche Moral und neigen teilweise zur Perversität, da sie sich an Gewaltakten förmlich stimulieren.
Wie man sieht ist „Soo“ kein schöner Film, trotzdem unterhält er durch seine stets vorhandene Spannung, eben wie ein guter Thriller. Auch ist der Film kaum was für zart besaitete Zuschauer, denn wenn es zur Sache geht, dann ist es äußerst brutal und heftig - „Soo“ gehört selbst unter den asiatischen Filmen zu den brutalsten. Der Film ist verdammt blutig und erinnert hier einmal mehr an einen Bloodshed-Thriller. Hier und da wird einen Kontrahenten das Auge oder das Ohr ausgerissen und auch sonst ist man hier nicht all zu zimperlich.
Die Cinematography hat selten was Ästhetisches an sich und das passt zum Film – die Bilder sind eher realistisch und schlicht. „Soo“ kleidet sich in recht dunklen und düsteren Bildern und spielt fast nur in dunklen Räumen oder bei Nacht. Dafür sind die Kämpfe stets übersichtlich – man sieht genau wo welcher Schnitt hingeht, wer wo ausweicht – es ist ein Genuss, denn meistens hat man es in solchen Szenen mit ruckartigen Wackelkameras zu tun und ich bin froh mal wieder gut gemachte Actionszenen zu sehen, auch wenn es nicht viele sind. Und all diese Szenen kommen auch ohne Wackelkamera schonungslos und hart rüber. Einige mögen vielleicht bemängeln das viele Sachen zu übertrieben wirken, aber hier ist dann eben „Soo“ voll und ganz ein „Film“ und ich fand das auch absolut gut so. Wenn diverse Figuren sich nach tausend Messerstichen und Schüssen noch immer auf den Beinen halten und sich zu Tode prügeln, verstärkt das nur die übertriebene Intensität des Films und die unheimliche Qual der Charaktere.
Auch der Score des Films ist passend und eindeutig inspiriert von „Spiel mir das Lied von Tod“. Auch guter koreanischer Rap kommt zum Zug und das zur passenden Szene. Die Musik ist gut, wird zwar nicht übermäßig viel eingesetzt, aber zum richtigen Zeitpunkt.
Was die Schauspieler betrifft kann man hier kaum von irgendwelchen großen Leistungen sprechen, da in den Film auch recht wenig gesprochen wird und meistens Taten folgen. Alle Schauspieler spielen absolut solide, aber hauptsächlich wird der Film von seiner Erzählweise getragen und nicht von seinen Schauspielern. Hauptdarsteller Ji Jin-Hee bringt seine Rolle als Killer glaubwürdig sowie nüchtern rüber und seine unterschwelligen Gefühle bringt er gekonnt dezent zur Geltung – oder eben fast gar nicht, so das man sie eben nur erahnen kann. Kang Seong-Yeon die die weibliche Hauptrolle spielt, muss schon fast am meisten Gefühle zur Show stellen und das macht sie gut, aber da in dem Film darauf nicht der Fokus liegt und das nur oberflächlich behandelt wird ist auch hier nur ein minimales Schauspiel möglich, aber auch Kang Seong-Yeon ist stets glaubwürdig. Ein Darsteller fällt aber trotzdem auf, dass ist Mun Seong-Geun, der den Gangsterboss spielt. Mun Seong-Geun bringt seine Rolle als absolut unmoralischer Drogenboss gut rüber und schafft es einen durch und durch abgründigen Charakter darzustellen. Auch die Nebendarsteller spielen gut und routiniert.
„Soo“ ist ein düsterer Ausnahmestreifen der mir sehr gefallen hat, aber eben ein Film ist, der wirklich nicht jeden zusagen dürfte, denn dazu ist der Film zu eigenwillig. Die Inszenierung des Films mag zwar sehr schlicht sein, aber sie hat mir besser gefallen als bei den meisten teuren produzierten Blockbustern, denn die Inszenierung hat für mich perfekt mit der Erzählweise harmoniert. „Soo“ ist meiner Meinung nach eine Verkannte Perle, ja vielleicht kein absolutes Meisterwerk, aber auf jeden Fall ein verdammt guter Film, der mich zu keiner Minute gelangweilt hat und mich bis zur letzten Minute dank seiner düsteren Atmosphäre fesselte. Viele fanden den Film zu lang, zu öde, aber damit der Schmerz und die Trostlosigkeit wirklich gut zur Geltung kommt, nimmt sich der Film Zeit und genau das fand ich hier ausnahmsweise gut. So überschätzt, wie ich „A Bittersweet Life“ als Rachedrama finde, so unterschätzt wird meiner Meinung nach „Soo“.