Was uns hier Bae Chang-Ho auftischt ist Poesie in seiner reinsten Form. Diese ist aber nicht unbedingt einfach zugänglich, denn der Film ist schwermütig, wortkarg, manchmal einwenig zäh und gar meditativ, aber trotzdem jede Minute absolut lohnend. Bae Chang-Ho gewehrt uns mit seiner Interpretation des koreanischen Klassikers „Hwang Jin-Yi“ einen tiefen sowie schönen Einblick in die koreanische Kultur, wie man es selten zu Gesicht bekommt. Der Film betört uns mit malerischen Bildern und einer greifbaren sowie unglaublich intensiven Atmosphäre. Die meiste Poesie des Filmes geht von den fast schon traumhaften Bildern aus die manchmal schon surreal schön wirken. Was hier der Cinematograph Jeong Il-Seong (bekannt u.a für Filme wie
Sopyonje; Beyond the Years (2007);
Chihwaseon) leistet ist beachtlich, denn seine Cinematographie ist wegweisend und wirkt in diesen Film sehr vereinnahmend, so sind es auch seine Bilder die die meiste Substanz in sich tragen und auf die der Film zum größten Teils baut.
So lässt der Film natürlich einigen Platz für Interpretationen und Deutungen, aber seine Richtungsangabe und Intension was die Interpretation Bae Chang-Ho von „Hwang Jin-Yi“ betrifft ist trotzdem eindeutig und zielgerichtet und hebt sich ganz klar von der Figur der
Neuverfilmung aus dem Jahre 2007 ab, welche auf der nordkoreanischen Interpretation beruht. Bae Chang-Ho folgt eher den Spuren der südkoreanischen Interpretation von „Hwang Jin-Yi“ – was bedeutet das wir es hier mehr mit einer gebildeten und schöngeistigen Kurtisane mit Herz zu tun haben. Sie wendet sich zwar auch hier von den wohlbehüteten Nest ihrer Adelsfamilie ab aber verkehrt aufgrund ihrer Erziehung und ihres Bildungstandes doch eher in ihren Kreisen, was aus meiner Sicht auch realistischer ist. In der nordkoreanischen Version ist sie wesentlich stolzer und verkauft ihren Körper nicht und ihr Herz gehört den Revolutionären und Bauern.
Wie auch immer Bae Chang-Ho 21 Jahre älterer Film ist der neuen Verfilmung fast in allen Belangen überlegen, denn vor allem wirkt sein Film gewichtiger, poetischer und nicht so starr und verkrampft. Trotz seines Alters ist auch die Bildsprache dieses alten Klassikers der neuen Verfilmung weit überlegen, so dass ich fast allen interessierten zu diesen Thema nur raten kann die neue Verfilmung links liegen zu lassen und zu diesem Film zu greifen.
Bedenkenlos kann man aber diesen Film auch nicht jedermann empfehlen. Zumeinen weil der Film von einer extrem und stetig vorhandenen koreanischen Melancholie geprägt ist und des weiteren weil Bae Chang-Ho auf viel Erklärendes verzichtet und sich darauf verlässt das man mit der Geschichte der „Hwang Jin-Yi“ vertraut ist, was es natürlich einen Nichtkoreanischen Zuschauer erschwert Zugang zum Film zu finden. Findet man sich aber damit ab und lässt man sich mit viel Ruhe und Geduld auf den Film ein, so wird einen ein Klassiker geboten wie es ihn selten in Korea gibt. Vor allem bietet uns „Hwang Jin-Yi“ wunderbare Landschaftsbilder Südkoreas zu fast allen Jahreszeiten.
Schauspielerisch bewegt sich dieser Film komplett in der oberen Liga, so dass fast alle Schauspieler überzeugen, obwohl die schauspielerische Kunst nicht unbedingt in Vordergrund steht, weil sie übertüncht wird von der immer präsenten und vereinnahmenden Cinematographie. Man merkt es den Schauspielern an das sie alle samt reichlich Erfahrung haben, besonders den diversen Hauptdarstellern. Alle nehmen ihre Rollen sehr ernst und fügen sich wunderbar in die gesamte Atmosphäre des Filmes.
Trotz der schönen Bilder und der guten Schauspieler wirkt die Geschichte hier und da etwas dünn, aber Bae Chang-Ho scheint darauf auch keinen wirklichen Fokus gesetzt zu haben, sondern fast einzig und allein auf die Stimmung die der Film erzeugen soll und das ist ihm gelungen, obwohl ich mir doch einwenig mehr Inhalt gewünscht hätte. Die Musik im Film hebt einige schöne Momente gekonnt hervor – zwar variiert die Musik so gut wie nie, aber da die Stimmung fast gleich bleibend in Film ist, erfüllt sie trotzdem hervorragend ihren Zweck. Rückblickend betrachtet bleibt dieser Film einen als schöner Klassiker in Erinnerung und viele Bilder werden sich gerade bei visuellen Menschen schnell im Kopf verankern, aber an sein meisterlichen
My Heart, den Bae Chang-Ho 14 Jahre später drehte, reicht dieser Film nicht heran, aber dafür tauchen hier schon sehr viele Elemente auf die er später in „My Heart“ einbringt. „Hwang Jin-Yi“ ist ein Film für Liebhaber, kulturell Interessierte, Bildfetischisten und ein Muss für jeden Koreafilm-Fan.