Wenn Wong Kar-Wai einen Film dreht, bringt das oft die Crème de la Crème der Filmindustrie zusammen, so auch hier, unter anderen die Koreanerin Song Hye-Gyo, die als Sinnbild für die weibliche koreanische Schönheit gilt. Somit ist es mittlerweile nicht verwunderlich das seine Filme sehr schnell den breiten Markt zugänglich gemacht werden und den Zuschauern weltweit als Blockbuster präsentiert werden – also genau die Klientele für die seine Filme nicht gemacht worden sind, denn Wong Kar-Wai `s Werke waren noch niemals was für die Masse. Andererseits gewährt in das wiederum Mittel einen Film wie „The Grandmaster“ zu schaffen, ohne Rücksicht auf Kosten und Aufwand, so dass für seine Vision keine Grenzen gesetzt werden. Diese Vision hat ihn schließlich sechs Jahre Vorbereitungszeit und drei Jahre Produktionszeit gekostet.
Ich selber habe bisher alles von Wong Kar-Wai gesehen und nicht jeder Film von ihm hat bei mir Anklang gefunden, denn dafür ist jedes Werk von ihm zu speziell, als das es jedem gefallen kann, so auch „The Grandmaster“. Anderseits ist für mich einer der besten Filme die ich jemals gesehen habe ein Wong Kar-Wai Film – „Ashes of Time“. So ging ich mit äußerst geringen Erwartungen an „The Grandmaster“ heran, vor allem da der Film in der Breite nicht immer positiv bewertet worden war. Man warf „The Grandmaster“ oft vor zu sehr auf „Style over substance“ zu setzen, also ein Film der nur in seinen Bildern schwelgt und sonst nicht mehr zu bieten hat. Des Weiteren kommt hinzu das Wong Kar-Wai zwar als erstes die Idee hatte einen Film rund um das Leben von „Ip Man“ zu machen, aber ihn in der Umsetzung schon einige Regisseure zuvor kamen, allen voran Wilson Yip mit seiner überaus erfolgreichen Verfilmung aus dem Jahre 2008, die diverse Fortsetzungen nach sich zogen.
Aber „The Grandmaster“ ist nicht unbedingt eine Verfilmung vom Leben des Ip Man, sondern eher ein Film um die Welt der Kampfkunst, und deren Großmeister, zu der Zeit in denen Ip Man lebte, darum könnte der Titel „The Grandmaster“ nicht passender sein, denn der Fokus ist hier nicht so stark wie in der Verfilmung von Wilson Yip und deren Fortsetzungen auf Ip Man selber gesetzt.
Wong Kar-Wai lässt uns eher tief in die ganz eigene Welt der Kampfkunstmeister und deren Philosophie eintauchen. Während die recht beliebten „Ip Man“ Filme die Massen begeisterten und durchaus stets einen hohen Unterhaltungswert hatten, schafft Wong Kar-Wai in meinen Augen ein verkanntes Meisterwerk, welches zu unrecht vorgeworfen wird das es nur schöne Bilder zu bieten hat, denn „The Grandmaster“ bietet weitaus mehr Tiefe, Poesie, Substanz, starke und tiefsinnigere Dialoge, vielschichtigere Charaktere und Philosophie als jeder andere „Ip Man“ Film. Nach „Ashes of Time“ ist dies gewiss einer der wohl besten Filme die ich von Wong Kar-Wai gesehen habe und somit auch international einer der besten die ich in den letzten Jahren sehen durfte, denn „The Grandmaster“ hat mich zum Teil auch tief bewegt und das hat schon lange kein Film mehr vermocht.
„The Grandmaster“ illustriert eine Blütezeit der Kampfkunstwelt, die im Schatten einer der turbulentesten Epochen Chinas stattfand, mit samt ihren Zeitgeist, ihren Regeln, ihrer ganz eigenen Sicht der Dinge und Philosophie. Diese eigene Welt in der die Kampfkünstler gelebt haben hat auch ihren eigenen Namen - „Jiang-Hu“. Die „Jiang-Hu“ war nicht nur eine glorreiche und heroische Welt, wie sie so oft dargestellt wird, sie war eher eine Welt die im Schatten der normalen Gesellschaft ihr Dasein fristete, da sie nicht selten von ihrer Struktur an das organsierte Verbrechen der Triaden erinnerte – mit dem sie letzten Endes auch eng verwoben war. Auf diesen Aspekt geht auch Wong Kar-Wai ein. Ich selber kenne z.B. einige sehr einflussreiche Leute aus Kampfkunstwelt in Südkorea und als ich diese mit ihren Kampfkunstschulen, kurz
im Jahre 2009, mit meiner Schwester, begleitete, erinnerte mich das eher an einen schlechten Triaden oder Yakuza Film, als an einen beschaulichen Ausflug mit dem hiesigen Sportverein.
Was „The Grandmaster“ auszeichnet, ist gewiss nicht nur seine Bildgewalt, wie vielerorts behauptet wird, aber diese trägt natürlich sehr stark dazu bei, denn Wong Kar-Wai war schon immer ein Mann der auf Bilder gesetzt hat und oft viel mehr mit Bildern erzählt als mit Worten. So wirken die Bilder im Film überaus organisch und sind sehr stark sowie unzertrennlich mit der Erzählweise, Musik, Schauspielern, ach allen Elementen der Filmkunst verwoben. Erst wenn man in all das eintaucht und auf sich unvoreingenommen wirken lässt, wirkt dieses Kunstwerk auf einen. Wer die Bilder im Film einfach nur als schön deklariert und somit weg blinzelt, dem entgeht auf jeden Fall ein wichtiges Element der Geschichte, denn allein in den Bildern werden unheimlich viele Gefühle, Botschaften, Atmosphäre und vieles mehr übermittelt. Die Kulissen, Kostüme, das Licht, die Kameraführung und der Schnitt sind hier hohe Kunst in Vollendung und niemals den Zufall überlassen worden, den Alles - jeder Blickwinkel und jeder Szene sieht man an das sie wohldurchdacht worden ist, ohne das es hölzern wirkt, im Gegenteil – alles ist in einen wunderbaren Fluss und überaus dynamisch arrangiert worden, so dass der Zauber, der daraus resultiert, für diejenigen die ihn erkennen können einfach nur noch atemberaubend ist.
Auch die Kampfszenen, haben es visuell in sich, denn diese wirken nicht unbedingt verkünstelt wie man es befürchten mag, wie z.B. in
"The Duelist" – nein sie sind hervorragend choreographiert, so dass sie als starke Schlüsselszenen, wie es eben in einen Material Arts Film sein muss, hervorstechen. In jeder Kampfszene sind die Schläge und Techniken die hier dargestellt werden sollen auch zu erkennen, so dass man auch sieht über was die Großmeister da reden. Jeder Tritt, Jeder Schlag ist hier zu erkennen und man spürt welche Kraft in ihnen laut der Erzählung wohnen soll. Wer hier auf realistische Kampfszenen setzt ist hier aber falsch, „The Grandmaster“ ist eher ein Wuxia Streifen ala „Faerless“ oder „Tiger & Dragon“, was die Kampfkunstszenen betrifft, was aber nicht stört da er in diesen Bereich in seiner Darstellung zur oberen Kategorie, wie eben z.B. „Faerless“, dazu gehört. Für alle Wuxia Fans die jetzt aufhorchen mögen, sei auch gesagt das wie in „Ashes of Time“, diese Szenen nur ein Element des Filmes sind, aber nicht der Schwerpunkt, wie z.B. in „True Legend“, von Woo-ping Yuen (Welcher im Übrigen hier für die Kampfszenen verantwortlich war und selber als einer der diversen Großmeister auftritt), denn Wong Kar-Wai hat schließlich bisher niemals einen reinen Action oder Unterhaltungsfilm gedreht, so auch hier.
Schauspielerisch tummeln sich hier wie schon gesagt einige Größen des chinesischen Kinos und die Koreanerin Song Hye-Gyo hat die Ehre mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ihre Rolle als die Frau von Ip Man reduziert sich eigentlich hauptsächlich darauf schön auszusehen, aber sein wir mal ehrlich Wong Kar-Wai hat in Gegensatz zu anderen Regisseuren erkannt das das auch das beste ist was sie kann, denn in allen anderen koreanischen Filmen in denen sie die Hauptrolle eingenommen hat, hat sie eher stets durch ihre elegante und klassische Schönheit imponiert, aber sonst den Zuschauer in ihren Schauspiel völlig kalt gelassen. Die eigentliche Hauptfigur ist so oder so jemand völlig anderes, als erwartet, denn es ist nicht Tony Leung Chiu Wai, der Ip Man darstellt, sondern Zhang Ziyi. Zhang Ziyi spielt Gong Er, die Tochter des mächtigsten und angesehensten Kampfkunstgroßmeisters Chinas. Ihre Figur und ihre Geschichte bewegt den Zuschauer am meisten, denn letzten Endes geht es hier um ihren Aufstieg und Fall, der teilweise auch symbolisch für die dargestellten turbulenten Zeiten bzw. das Lebensgefühl zu jener Zeit in China ist. Ihre Rolle in „The Grandmaster“ ist seit langer Zeit endlich wieder ein Höhepunkt in ihrer Karriere und zeigt was in ihr steckt, wenn man sie richtig einsetzt. Kurzum Zhang Ziyi spielt einfach großartig. Aber auch alle anderen zahlreichen Schauspieler im Film wurden von Wong Kar-Wai, wie eben Song Hye-Gyo und auch Tony Leung Chiu Wai, passend eingesetzt, so dass jede Figur im Film ihr gewisses Etwas hat und den Zuschauer für sich vereinnahmen kann und dabei müssen sie nicht immer unbedingt die Hauptrolle im Film einnehmen.
Was mir somit auch sehr gut gefallen hat das es eigentlich in „The Grandmaster“ um eine sehr starke Frauenfigur geht, die sich in einer von Männer dominerten Welt, durchsetzt, ohne das diese Figur an Weiblichkeit einbüßt. Gong Er, dargestellt von Zhang Ziyi ist eine faszinierende Figur, die menschlicher nicht sein kann und somit auch unglaublich glaubhaft rüber kommt. Dies unterstreichen starke Dialoge im Film, die einen in Erinnerung bleiben. So legt man z.B. Gong Er nahe von ihren Rachefeldzug abzulassen, sich von der Kampfkunstwelt loszusagen und zu heiraten, dies sei schließlich der Wille des Himmels, diesen Weg lehnt sie aber ab, da sie so niemals Frieden finden könnte und schiebt hinter her - "Maybe I'm the Will of Heaven!"
Es sind nicht nur solche markanten Dialoge die die Figuren und die Story abrunden, „The Grandmaster“ ist voll von tiefsinnigen philosophischen Disputen, Sprüchen und Gesprächen. Was dabei sehr angenehm ist das diese Dialoge so für sich in Raum stehen, aber niemals mit den erhobenen Zeigefinger den Zuschauer präsentiert werden, nein sie stellen die jeweilige Sicht der Figur da und zusammen mit allen anderen, lässt es den Zuschauer alleine zurück, der daraus seine eigenen Schlüsse ziehen kann. Die Botschaft des Filmes ist sehr ehrlich, aber wird den Zuschauer auch nicht unbedingt Mundgerecht serviert. Das schöne ist wie bei allen Wong Kar-Wai Filmen, das man über den Sinn, die Poesie, die Dialoge und den gesamten Inhalt des Filmes mit Freunden noch im Nachhinein viel darüber reden kann, denn jeder wird eine Botschaft für sich finden können, sofern er gewillt ist sich auf dieses Werk einzulassen.
Schon lange habe ich keinen so episch angelegten, bewegenden, poetischen und schönen Film gesehen wie „The Grandmaster“ und es wird auch wieder ein paar Jahre dauern bis sowas wieder passiert, denn solche Filme findet man nicht wie Sand am Meer. Ich schließe damit ab das für mich „The Grandmaster“ ein eimaliges und einzigartiges Meisterwerk ist wie es „Ashes of Time“ ist, auch wenn es nicht ganz dessen Größe erreicht, so ist der Vergleich allein schon einer der höchsten Anerkennungen die ich einen Film machen kann.