Ende September 2009 trat der deutsche Filmverleih
Flying Moon an mich heran und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, einen ihrer Filme zu rezensieren. Ich überflog erstmal schnell das Presseheft – ein Dokumentarfilm. Ich schaue persönlich recht gerne und viele Dokumentarfilme, aber rezensiert habe ich nie einen. Das was mich aber am meisten interessierte war in welchen Ländern dieser Film spielte. Wir haben ein Thema und vier völlig verschiedene Länder und somit total unterschiedliche Kulturen, da währen die USA, Burkina Faso, Indien und „Nordkorea“ – da horchte ich natürlich sofort auf. Ich dachte mir dann „Wieso nicht“ und so trudelte kurze Zeit später das Rezensionsexemplar bei mir ein.
Erst war ich sehr skeptisch da dieser Dokumentarfilm keine erklärende Stimme aus den Off hatte und allein die Leute erzählen lässt, bzw. sie beobachtet. Solche Dokumentarfilme lassen meiner Meinung nach oft den Roten Faden missen oder wirken zu uninteressant, da man als Zuschauer einfach hängen gelassen wird, aber „Comrades in Dreams“ schafft es dank sehr guter und klarer Strukturierung zu fesseln. Regisseur Uli Gaulke (selber ehemaliger Kinomacher wie seine Protagonisten) schafft es seine sehr kontrastreichen Drehorte wunderbar zu einen herrlichen Ganzen zusammen zu schneiden. Da der Film in jedem Land eine Bezugsperson hat und dieser mehr oder weniger begleitet oder interviewt wird, ersetzen gleich die Einheimischen Vorort unsere gewohnte Stimme aus den Off und führen uns somit in ihr Land und in ihre ganz eigene Welt des Films ein. So überlässt es Uli Gaulke den Menschen des jeweiligen Landes selber für sich zu sprechen und Eindrücke zu vermitteln - nur noch die Fokussierung bestimmter kleiner Szenen und Bilder führt unseren Blick Abseits von dem Erzählten der Protagonisten um unsere Aufmerksamkeit auf Dinge zu lenken die das deutsche Team für wichtig erachten, was ich gut fand, vor allem da es sehr minimal wirkte.
Die Bildsprache im Film wirkt sehr eindrücklich und das deutsche Team hat stets das richtige Gespür für die richtigen Bilder. Man bekommt in der kurzen Zeit in der die jeweiligen Länder ihre Laufzeit von 94 Minuten miteinander teilen eine sehr gute Stimmung des jeweiligen Landes und ihren dazugehörigen Filmliebhabern vermittelt. Man verweilt hier niemals all zu lange in ewigen Einstellungen, sondern die Bilder versuchen stets eine gewisse Dynamik zu erzeugen, was auch gelingt. Es werden interessante Details gut eingefangen, dank einer hervorragenden Beobachtungsgabe, so dass uns viele Bilder oft mehr Aufschluss geben als das Gesprochene, das ist natürlich in Nordkorea einem Land wo man nicht alles laut sagen kann was man will, vonnöten, aber auch in der USA, wo viel unter der Oberfläche brodelt. Zu der gezielten Bildsprache gesellt sich eine schöne und passende Musik, die einem zusammen mit den Bildern wunderbar die Filmkultur und ja auch die Kultur des Landes überhaupt illustriert.
Ich will nun doch auf meiner Seite einwenig mehr auf die nordkoreanische Episode eingehen. Diese ist faszinierend, denn man bekommt nicht all zu viel Eindrücke aus einem der isoliertesten Länder der Welt zu sehen und wenn dann wirkt es meistens sehr gefiltert bzw. zensiert.
Hier wirkt das irgendwie zum ersten Mal nicht so, das liegt vor allem an der sehr menschlichen und typisch herzlichen koreanischen Protagonisten Han Yong-Sil. Wie sie sich gibt, was sie erzählt, all das wirkt nicht gestellt oder von Angst bestimmt, das mag natürlich auch vielleicht daran liegen das sie eine etwas privilegierte Persönlichkeit ist, aber auch wenn, dass spielt keine Rolle, denn sie vermittelt uns doch ein recht authentisches Bild von Nordkorea. Wenn sie dann plötzlich in Tränen ausbricht und den Tod des Führers Kim II Sung beweint, hat das doch was sehr befremdliches an sich und wirkt fast wie ein klares Signal von ihr: „Das muss ich jetzt machen, nimmt das nicht so ernst.“, denn es passt zum restlichen Gesagten nicht so ganz – zu den vielen echten Gefühlen, Träumen und Sehnsüchten die sie vermittelt. Auch wird in diesem Film viel durch die Linse gesagt und wer nicht ganz auf den Kopf gefallen ist versteht es sofort. Die ganzen anderen nordkoreanischen Bürger im Film geben sich sehr scheu und verkrampft, da sie meistens doch eher Angst haben was zu sagen und eben der Gefahr aus dem Weg gehen unerlaubt aufzufallen und somit vermeiden evtl. Repressalien ausgesetzt zu werden.
Nur noch der Kollege von Han Yong-Sil und seine Familie gewähren uns Einblicke. All Das ist aber mehr als das was ich jemals sonst in einer Dokumentation über Nordkorea gelesen und gesehen habe – das liegt eben daran, dass man diesmal die Nordkoreaner selber sprechen lässt und man nicht die Welt bevormundet, durch das so oder so schon kritische westliche Auge, betrachtet.
Interessant ist auch das von allen vier Ländern die USA irgendwie von seinen Leuten am unfreiesten erscheint. Die Leute wirken hier oft hilflos, verkrampft, selbstmitleidig und verhärtet im Gegensatz zu Ländern wie Nordkorea, oder einer der ärmsten Länder der Welt wie Burkina Faso und eben Indien. Die Amerikaner tragen anscheinend schlimme Lasten mit sich herum, bloß sind diese nicht so offensichtlich. Der Gegensatz zu den anderen Ländern ist offensichtlich. Hier hat man ganz essentielle Nöte, so dass diese durch Lebenslust überschattet oder gar übertüncht werden.
Der Film schafft es mit einem Thema vier völlig verschiedene Länder und ihre doch sehr andere Filmkultur zu einem Film zu vereinen. Ja es werden Differenzen klar, aber auch viele Gemeinsamkeiten und es wird einem die Schönheit der Vielfalt aufgezeigt.
„Comrades in Dreams“ ist insgesamt eine faszinierende Dokumentation nicht nur für Filmliebhaber, da es eine Dokumentation mit Seele ist und eine Dokumentation der es gelingt die Leidenschaft für den Film auf völlig verschiedenen Ebenen einzufangen.
Der Film engt einen auch niemals in seinen Gedanken ein und überlässt es den Zuschauer meistens selber das Gesehene für sich auszuwerten – so kann es durchaus sein, dass man ganz andere Sachen in das Gesehene interpretiert als der Regisseur selber.
„Comrades in Dreams“ ist wie ein kleiner Spaziergang durch die Welt, bei dem man allerlei Dinge entdecken kann, die man dann selbst irgendwie einordnen muss – und das ist gut so.
Ein kleiner Tipp am Rande:
Wartet die Credits ab, denn am Ende erwartet Euch eine schöne Überraschung.